Umbruch I: Untertags
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Untertags

Ich sitze ganz vorne, unmittelbar hinter dem Fahrer. Die paar Leute, die da am mittleren Vormittag im Wagen sitzen, alle gesetzten Blickes, hinunter auf ihre Handflächen, auf ihre Mobiltelefone. So blicke ich aufrecht sitzend, denn mein Interesse gilt den Tunneln, durch die wir rauschen. Manche versehen mit Ringsystemen (die Ubahn rollt durch Ringe). Manche sind einfach nur kahler Beton. Jetzt wird die Ubahn für drei, vier Stationen wieder überirdisch geführt, um dann kurz vor der Donauinsel wieder hinunter gezogen zu werden von den Leitsystemen und Gleisen. Stets begleiten gebündelte orange Kabel die Ubahn (ein leichter grauer Hauch von Zeit und Staub schimmert darauf, im Auf und Ab der Bündel alle zwei Meter). Mit diesem neuen Blick (allerlei Graffitis grad) eine neue Sensation erfahren, das Dämmerlicht vor manchen Stationen (die Beleuchtung des Bahnsteigs schimmert hell in den Tunnel, wie so die kurze Vorahnung, diese kleine Form der Prophetie, die oft so unnütz ist). Schimmerlicht Nestroyplatz, ab jetzt.

Ob da was lebt? Und was das wohl ist? Hinter den Wänden? Ein paar Meter weiter. Regenwürmer und Maulwürfe, Asseln und Ameisen, alle gefangen und geschützt von der manifest gewordenen Dunkelheit der Erde. Verirrt in selbst gegrabene Labyrinthe, verwirrt von selbst angelegten Scheintüren und Pseudogängen, mit plötzlichen Passagen geschützt in absolut dunklen Ecken. Und den Scheineingängen im Licht.

Es ist der Frühling der sterbenden Bienen. Überall die orientierungslos torkelnde Bienen am Gehsteig, an den Balkonen, in den Parks. Manche der Tierchen habe ich auf meine Stoffgeldtasche krabbeln lassen und gab ihnen so einen Lift bis zur nächsten Blume in voller Blüte. Heftig erzuckend, ließ ich sie in den Blüten von Löwenzähnen und Glockenblumen. Glyphosat! denk ich und verfluche die Pestizid-Konzerne. Große Dramatik plötzlich. Die Horror-Vision, dass das Bienensterben gerade wieder im großen Maßstab passiert. Aufrufe im TV, Bienen erste Hilfe zu leisten. So retten Sie Bienen! erläutern Wissenschaftler und Imker die wesentlichen Schritte. Am besten: blühende Blumen am Balkon.

Der Hoffnung, dass Millionen Menschen die Bienen retten werden, folgt die Angst vor einem Wüstenplaneten, auf dem die Menschheit untertags Zuflucht findet vor den tödlichen Strahlen der Sonne.

Mit dem Wandel der Jahreszeiten, spiralisiert hochgeschraubt in Richtung der Sterne, der Umbruch der Zeit. Die Abgänge der medialen Personen.

In jenem Frühjahr das Interview des anchormans mit dem abgehenden Landesfürsten, wo letzterer nochmals in seine landesfürstliche Machtrage verfällt („Warten Sie nur…!“ mit erhobenem Zeigefinger). Der zornige dunkle Blick der Macht.

18.03.2019